Die Bedeutung des venösen Systems
In meiner persönlichen Sichtweise auf den menschlichen Organismus hat das fluidale System einen sehr großen Stellenwert erhalten. Die Bedeutung von Fluida, sowie den Zusammenhang zwischen Wasser und allen Körperflüssigkeiten habe ich in dem Webinar „Wasser, Fluida und lebendige Faszien“ dargestellt.
Wie kann dieser fluidale Aspekt in die Therapie, insbesondere in die manuelle Behandlung eingebracht werden? Wie können Fluida im Körper „behandelt“ werden?
Hier kommt das venöse System ins Spiel. Dieses bietet massive Ressourcen für die Bewegung und Begleitung von Flüssigkeiten, für die Regulation von Druckverhältnissen (regional und körperweit!), für den Transport von allen im Blut gelösten Stoffen und für die Regulation bzw. Integration von Stress und Trauma.
Es macht den Eindruck, als ob das venöse System unterbewertet wäre, beinahe missachtet. Viel wird über die Bedeutung der Arterien für Durchblutung und über das Lymphsystem für Ödembehandlung gesprochen. Aber das venöse System…?
Hier ein paar Fakten, warum das venöse System große Bedeutung für unseren Organismus hat:
Volumen:
Venen bilden das Volumensystem des gefäßgebundenen Transportsystems
85% der Blutmenge befindet sich in den Venen
Stoffwechsel:
Venen sammeln Nährstoffe (Eiweiss und Kohlenhydrate) aus der Darmwand und transportieren sie über ein Pfortadersystem zur Leber.
Und aus der Leber über die V. cava in den gesamten Kreislauf.
Hormonsystem:
Alle endokrinen Hormone werden primär ins venöse System abgegeben und über dieses im gesamten Körper verteilt.
Venen bilden das Pfortadersystem der Hypophyse
ZNS:
Die Resorption von Liquor erfolgt über das venöse System
Venen sind an der Druckregulation im Schädel und im Wirbelkanal beteiligt
Kollateralkreisläufe:
Venen bilden ein doppeltes Abflusssystem: eines in der Tiefe und eines an der Oberfläche.
Diese beiden kommunizieren mittels Perforansvenen und regulieren das Volumen bzw. die Abflussmenge zwischen Innen- und Außenraum.
Bei Verschluss eines tiefen Gefäßes (V. cava, V. porta) sind Kollateralkreisläufe im Extremfall in der Lage, den gesamten Rückfluss des venösen Blutes zu übernehmen
Regionale Druckregulation:
Drosselvenen regulieren die Abflussmenge des venösen Blutes und können damit fluidale Druckverhältnisse regional beeinflussen.
Systemische Druckregulation:
Venen bilden Kollateralkreisläufe für das gesamte Abdomen, die Oberbauchorgane und den Thorax.
Oberflächliche Venen unterstützen die tiefen Abflüsse und sind in der Lage, Druckverhältnisse in gesamten Kavitäten zu regulieren.
Venöse Schwellkörper - Mechanischer Puffer und Abdichtungen:
Venenplexus (Venengeflechte) bilden Schwellkörper, die mechanische Druckpuffer darstellen.
Diese können je nach Bedarf gefüllt oder entleert werden und stellen eine wichtige Maßnahme für raschen Schutz vor mechanischen Druck dar.
Solche Venenplexus finden sich rund um das gesamte Gehirn, rund um das Rückenmark, sowie um zahlreiche wichtige (Hirn-)Regionen, wie etwa um die Hypophyse und um Hirnnerven.
Weiters bilden Schwellkörper Abdichtungen und mechanische Stabilisierungen, z.B. beim Verdauungstrakt (Speiseröhre, Magen, Anus, etc.)
Haut und Integumentsystem:
Venen haben eine starke Beziehung zur Haut und zur Fascia superficialis (Integumentsystem).
Gefäß- und Venenzeichen an der Haut sind Ausdruck der Transportsysteme an der Körperdecke.
Köpersprache und Phänomenologie:
Venenzeichen sind die Sprache der Transportsysteme: das Transportsystem „kommuniziert“ Belastungen in Form von Gefäß- und Venenzeichnungen an der Körperoberfläche. Wenn wir diese Zeichen lesen lernen, erhalten wir Hinweise über die Funktion der Transportsysteme und Hinweise für unsere Behandlungsstrategie.
Stimmungslage, Emotion und Vegetativum:
Blut, dessen Verteilung und Volumen ist in besonderem Maße mit dem vegetativen Nervensystem verbunden.
Das regionale Blutvolumen steht in Zusammenhang mit unseren Befindlichkeiten und mit dem Erleben von Stress.
Wenn wir „vor Scham erröten“ oder uns „ein kalter Schauer über den Rückenläuft“, dann kommt dies daher, dass regional die Durchblutung in der Haut verändert wird – dies lässt uns Emotion körperlich erfahren.
Das Empfinden von dauerhaftem Stress oder das Erleben traumatischer Ereignisse hat massiven Einfluss auf die Durchblutungsregulation und auf die Durchblutung der Haut im Besonderen.
Systemische Erkrankungen:
Wissenschaftliche Arbeiten zeigen einen Zusammenhang zwischen dem vegetativen Nervensystem und arteriovenösen Anostomsen in der Haut mit systemischen Erkrankungen wie Fibromyalgie. Das venöse System scheint zu einem großen Maße an systemischen Dysregualtionen beteiligt zu sein.
Die Chinesische Medizin drückt das so aus: Blut transportiert Emotion. Jede Emotion, die nicht verarbeitet werden kann, stockt in Form von Gefäßzeichen in der Haut.
Die Behandlung der Hautgefäße kann daher einen wertvollen Beitrag zur Regulation vegetativer Abläufe leisten und helfen, Stress- und Traumaerfahrungen zu integrieren.
Hierbei spielt die Behandlung von Venen eine übergeordnete Rolle: sie stellen das Volumensystem dar (85% der Blutmenge) und bilden Kollateralien für die Regulation von Druck im Inneren.
Wenn du mehr dazu lernen möchtest, dann komm zu meinem Kurs über Transportsysteme:
www.fasziopathie.com/systemisch-gesamt.html
Insbesondere der erste Teil beschäftigt sich mit den venösen System:
www.fasziopathie.com/systemisch-1.html
Andreas Haas, 28.04.2024